Die Geschichte des Studentenwohnheims O11

Als Vater eines gerade zwölfjährigen Sohnes entschied ich mich, das Gebäude in der Ochsentorstraße 11 in ein Studentenwohnheim umzubauen. Zwar vermietete ich schon an anderer Stelle seit mehr als fünfzehn Jahren Wohnungen an Studenten-WGs, jetzt aber kam ein neuer Gedanke hinzu. Mich bewegte die Frage, wie ich eigentlich meinen Sohn untergebracht wissen möchte, wenn er vielleicht in wenigen Jahren für ein Studium in eine fremde Stadt ziehen wird. Nachdem der Leiter des Stadtamtes Durlach höchstselbst auf mich zugekommen war, ob ich in dem Haus nicht Zimmer für Studierende anbieten wolle, war im Spätherbst 2017 schließlich die Idee des Studentenwohnheims O11 geboren.

Vorgeschichte – Große Katastrophe bald nach dem Erwerb des Hauses

In einer Verkettung unglücklicher Umstände wurde im Jahr 2016 nach einem Dachstuhlbrand aus dem Gebäude Ochsentorstraße 11 zunächst eine zweijährige Baustelle. Das historische Gebäude, dessen Grundmauern noch aus einer Zeit vor dem großen Stadtbrand im Jahr 1689 stammen, hatte ich weniger als ein Jahr zuvor, im Dezember 2015, unter Aufbietung meiner letzten Reserven und mithilfe eines Millionenkredits einer hiesigen Bank erworben.

Durch den Dachstuhlbrand am 09. September 2016 rollte zunächst eine wirtschaftliche Katastrophe auf mich zu. Nach meiner Einschätzung war an dem Gebäude ein wirtschaftlicher Totalschaden entstanden. Da es unter Denkmalschutz steht, musste es aufwändig wiederhergestellt werden. Die für die Regulierung zuständige Versicherung riet mir zunächst, einen Architekten zu beauftragen. Leider traf ich in meiner Unerfahrenheit keine gute Wahl und hatte Querelen mit dem Architekten und der Versicherung, was zu einer ziemlichen Verzögerung führte und die finanzielle Lage zusätzlich belastete.

Mehr als ein Jahr nach dem Brand war lediglich der Dachstuhl wiederhergestellt und das Gebäude war entkernt, als ich das glücklose Vertragsverhältnis mit dem Architekten auflöste. Mit der Versicherung musste ich mich auf einen verlustreichen Vergleich einlassen.

Neue Perspektive durch ein Familiendarlehen

Inzwischen war es Oktober 2017 geworden. Mir war klar, dass das Geld der Versicherung für eine zufriedenstellende Wiederherstellung nicht ausreichen würde. So bat ich meine Mutter um Hilfe. Sie versprach, mir mit einem großzügigen Familiendarlehen zur Seite zu stehen, sobald das Versicherungsgeld aufgebraucht ist. Fortan hatte ich ein Budget, bestehend aus dem Betrag der Versicherung und dem in Aussicht gestellten Familiendarlehen. Ich entschied mich, eine neue, in einigen Punkten über die Wiederherstellung des Gebäudes hinausgehende Planung vorzunehmen. Eine Umwandlung in ein Haus für Studenten, wie vom Stadtamt Durlach bereits angeregt, wurde nun vorstellbar.

Neue Planung Studentenwohnheim

Nun konnte ich endlich die Entscheidung treffen, das Gebäude zu einem Studentenwohnheim umzubauen. Dies hat einige weitere Überlegungen nach sich gezogen. Mir war klar, dass die Eltern meiner künftigen Bewohner zumeist mitentscheiden würden. In der Regel bezahlen sie die Unterkunft ja auch. Sich in die Eltern hineinzuversetzen fiel nicht schwer. Schließlich habe ich selbst einen Sohn, der vielleicht in wenigen Jahren ein Studium beginnen wird. Allerdings sollte das Haus auch meinen Bewohnern selbst gefallen und es muss ihnen bestmögliche Voraussetzungen bieten, um auch ein anspruchsvolles Studium erfolgreich abschließen zu können.

Ich habe versucht, mich an meine Zeit zu erinnern, als ich gerade einmal fünf Jahre älter gewesen bin als mein Sohn. Ich selbst war siebzehn, als ich mein Elternhaus verlassen hatte. Was meine Eltern seinerzeit für gut hielten, war nicht in allen Punkten dasselbe, was ich mir wünschte. Damit habe ich mich nun beschäftigt. Zwei Gefühle sind es, an die ich mich auch heute noch sehr gut erinnere. Das eine war recht positiv, eine neu entdeckte Form von Freiheit und Abenteuer. Eine neue Stadt zu erkunden und auf eigenen Beinen zu stehen. Genauso hat sich das angefühlt, auch wenn ich faktisch weiterhin abhängig gewesen bin.

Ein zweites Gefühl, an das ich mich genauso gut erinnern kann, war der Wunsch nach Gemeinschaft mit Gleichaltrigen. Dies war mir in meiner Freizeit leider nicht in dem Maße vergönnt, wie ich es mir gewünscht hätte. Untergebracht war ich als Untermieter bei einem älteren Herrn. Meine Motivation, mich dort aufzuhalten und – was öfter nötig gewesen wäre – zu lernen, war, sagen wir, „begrenzt“. Meine Erfahrungen in dieser Zeit und auch die späteren in verschiedenen Wohngemeinschaften haben mich beeinflusst beim Erstellen „meines“ Konzepts für Studentenwohnheime.

Umbau und Realisierung

Mit dem Haus O11 wollte ich ein Zuhause zum Leben und Studieren für junge Menschen schaffen. Was Küchen und Bäder betrifft, habe ich eine komplett neue Planung vorgenommen (bevor diese Entscheidung fiel, gab es nur die Vorgabe der Versicherung, alles so wiederherzustellen, wie es vor dem Brand gewesen war). Im weiteren Verlauf der Sanierung habe ich zudem entschieden, auch die alten Fenster ersetzen zu lassen. Einem Architekten habe ich mich bis zur Fertigstellung nicht mehr anvertraut.

Ich entschied mich für ein Konzept mit zeitgemäß möblierten Zimmern und grundlegenden Serviceleistungen. So ist die Verfügbarkeit eines Hausmeisters und einer hauswirtschaftlichen Kraft für die tägliche Reinigung von Gemeinschaftsbereichen, das Verteilen der Post, das Wechseln der Müllbeutel etc. von Anfang an gewährleistet. Die Bewohner sollen von Pflichten außerhalb ihres Zimmers weitgehend entlastet werden, um sich auf ihr Studium konzentrieren zu können. Im Oktober 2018 konnte das Haus mit insgesamt vierundzwanzig Einzelzimmern und einem Doppelzimmer eröffnet und voll vermietet werden. Es ist ein Haus geworden, in das ich auch meinen Sohn, wenn er ein Studium anstrebt, jederzeit guten Gewissens einziehen lassen würde.

Nachtrag aus aktuellem Anlass

Die Vollvermietung des Hauses in den ersten beiden Jahren nach Eröffnung hat mich bestätigt, das Konzept scheint anzukommen. Eine neue Herausforderung hat sich im Jahr 2020 durch die Pandemie ergeben. Da es keine Präsenzveranstaltungen am KIT mehr gab, sind sehr viel weniger neue Studenten nach Karlsruhe gekommen. Ich hoffe sehr, dass wir zu Beginn des Wintersemesters 2021 auch dieses Tal durchschritten haben.

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